Zwölf Kilometer von Wiener Neustadt entfernt setzt die Hohe Wand felsige Akzente am Alpenostrand. Das kleine Massiv weist bis zu 250 Meter hohe Abbrüche auf, in denen unzählige Vertikal-Routen alpine Freuden versprechen.
Naturpark und Kletter(steig)paradies
Ein großer Freund dieses kleinen, aber markanten Kalkmassivs war der Neunkirchner Spenglermeister Johann Hansel, der sich und der ganzen Wiener Bergsteigerzunft im Jahre 1911 einen Traum erfüllte. Er montierte Eisenklammern, Leitern und Stahlseile in die nordöstlichen Felsabbrüche der Hohen Wand und schuf damit einen der schönsten der zahlreichen Klettersteige dieser Region.
Zur besonderen Beliebtheit des Hanselsteigs tragen Highlights wie der abenteuerlich enge, mit zwei fast senkrechten Leitern gangbar gemachte Felskamin bei – und das Karnitschstüberl. Dies ist eine weithin sichtbare, dreieckige Halbhöhle mitten in der Wand, die den Namen des einstigen Grundbesitzers trägt. Bergsteiger haben das Riesenloch mit Tisch und Bank ausgestattet, sodass es zu einer ebenso luftigen wie aussichtsreichen Jausenpause einlädt.
Dem etwa zwei Meter breiten Felsschacht in ihrem Boden schenken nur wenige Beucher:innen Aufmerksamkeit. Diese Vertiefung ist nicht auf natürliche Weise entstanden, sondern durch Menschenhand; an ihrem oberen Rand hat man sogar eine Sitzfläche ausgemeißelt. Alten Berichten zufolge war sie einst etwa sieben Meter tief. Das ist sie heute nicht mehr, denn 1945 nahmen russische Soldaten das Karnitschstüberl unter Artilleriebeschuss, sodass viele Steinbrocken hineinfielen. Die Bedeutung dieses seltsamen Schachtes kennt man bis heute nicht; Überlieferungen dazu sind keine bekannt.
Ein Wasserloch kann es nicht gewesen sein, denn es gibt hier keine Quelle. Auch als Getreidedepot für Kriegszeiten wäre es denkbar ungeeignet. Der Wiener Bergsteiger und Amateurforscher Karl Lukan hat die Hypothese angeregt, es könnte sich dabei um einen Opferschacht für Verstorbene oder Erdgötter handeln. Ähnliche Vertiefungen gibt es nämlich auch in der Umgebung und darüber hinaus in ganz Europa. Lukan verwies zudem auf die frappierende Ähnlichkeit mit einem steinernen Schacht in der piemontesischen Alpenstadt Susa.
Fragen über Fragen … Wo gibt es schon einen Klettersteig mit solchen Rätseln?
Charakter
Dieser kurze, einfache und gut gesicherte Klettersteig (Schwierigkeitsgrad B) ist auch für „Einsteiger:innen“ und Kinder interessant (Klettersteigset und für Kinder auch Sicherungsseil ratsam).
Region
Gutensteiner Alpen / Niederösterreich / Österreich
Start/Ziel
Stollhof (459 m) an der Hohen Wand, 13 km westlich von Wiener Neustadt.
Bahn/Bus
Vom Bahnhof Winzendorf per Bus (Linie 337) zur Haltstelle Stollhof Kapelle.
Schwierigkeit
Schwere Tour
Rundtour
4 km
Gehzeit
3:30 h
Höhenunterschied
350 hm 350 hm
Karte
KOMPASS Wanderkarte 210, 228
Literatur
KOMPASS Wanderführer 5632 Wiener Hausberge
Wegbeschreibung
Von Stollhof gehen wir auf der Loderhofstraße ca. 900 m zur Loderhofsiedlung und links zum Parkplatz (521 m). Von dort wandern wir auf einem rot markierten Waldpfad zum Beginn des gesicherten Hanselsteigs (A/B, Stahlseile), der über eine Felsrampe zum Karnitschstüberl (Steigbuch) emporzieht. Von dort geht’s links über eine Holzbrücke zum Beginn des engen Kamins, der mit Hilfe von zwei fast senkrechten Leitern erklimmen. Oberhalb davon folgt eine weitere kleine Holzbrücke, von der wir zum Steigende und zum ehemaligen Hanselsteighaus an der Hohe-Wand-Straße gelangen. Dieser folgen wir links 500 m zum nahen Kohlröserlhaus (845 m); 2:00 h.
Abstieg: Wir folgen zunächst der Straße ca. 700 m weiter westwärts, zweigen dann links ab und schwenken nach weiteren 380 m links auf den einfacheren, aber ebenfalls gesicherten Leiterlsteig (A) ein. Diese Route führt durcfh eine kleine Schlucht und eine Steilstufe (Stahlseile, Klammern) zum Wandfuß hinunter. Von dort links zum Teufelsgrat-Parkplatz und auf dem Ramhofweg bzw. einem parallel dazu verlaufenden Waldweg zurück nach Stollhof; 1:30 h.
Was für ein Rastplatz mitten in der Hohen Wand! Das Karnitschstüberl schenkt einen weiten Ausblick …
… über die „Neue Welt“, das seit Jahrtausenden bewohnte Kulturland am Fuße der Hohen Wand.
Der seltsame Steinschacht im Karnitschstüberl.
Wo der Hanselkamin eng wird, beginnen gleich die Leitern.