Das Gottesackerplateau

Kein Wunder, dass das 25 Quadratkilometer große Plateau am Hohen Ifen einst gemieden wurde. Eine Alp soll es gewesen sein, doch wegen der Habgier der Menschen sei sie versteinert …

Karstzauber über dem Kleinwalsertal

So also sieht er aus, der Friedhof unseres Schöpfers: Steine, Steine, nichts als Steine … Dabei war der Gottesacker tatsächlich einmal grün(er), vor der letzten Klimaverschlechterung und auch schon in der Jungsteinzeit – das legen jedenfalls Funde nahe, die uns mittelsteinzeitliche Jäger hinterlassen haben. 

Versteinert ist der Gottesacker auch wirklich, aber schon vor 145 bis 65 Millionen Jahren, als sich mehr und mehr biogene Ablagerungen im flachen Schelfmeer vor der Südküste des Eurasischen Kontinents ablagerten und unter dem Gewicht zu Schrattenkalk verfestigten. Hochgehoben, in einzelne Schollen zerbrochen und wellenartig verfaltet – so wurde auch dieses Gesteinspaket bald ein Opfer der Erosion.

Wie eine schräge Rampe liegt die grasbedeckte Riesenplatte des 2230 Meter hohen Ifen über der kaum bewachsenen Steinöde des Gottesackers, die mit den Oberen und den Unteren Gottesackerwänden auffällige steinerne Wellen bildet. Es sind aufgebrochene Scheitel nach Norden überkippter Antiklinalen. Am Fuße des Ifen krallen sich bloß ein paar Gräser in den Fels, weiter unten zwingt verfilztes Latschendickicht zu Umwegen.

Daher ist die hier vorgeschlagene Überschreitung der Gebirgsgruppe im Nebel ein gefährliches Unterfangen. Bei Sonnenschein hingegen verspricht sie starke Eindrücke in einer stillen und geradezu märchenhaften Steinlandschaft. Vielleicht erlebt man es dann so wie der Alpinschriftstellerb Eugen E. Hüsler: „Die Sonne brennt auf das weiße Karrenplateau, fern am Horizont stehen die Gipfelketten der Allgäuer Alpen und bieten mit ihrem Sockelgrün ein wenig Erholung für das geblendete Auge.“

Charakter
Nach einem steilen Aufstieg auf einem anfangs geteerten Wanderweg sind am Gottesackerplateau Trittsicherheit und gutes Orientierungsvermögen notwendig; zuletzt geht’s auf guten Pfaden durch steiles Waldgelände bergab und auf einer Nebenstraße zurück. Keinesfalls bei Nebel und Schneelage losmarschieren! Reisepass mitnehmen – Grenzübertritt.
Einkehrmöglichleit im Mahdtalhaus (Selbstversorgerhütte) und in der Ifenhütte.

Region
Allgäuer Alpen / Vorarlberg / Österreich

Start/Ziel
Auenhütte (1275 m) im hinteren Kleinwalsertal, das per Bahn/Bus oder Auto nur von Deutschland (Oberstdorf) aus erreichbar ist.

Bahn/Bus
Mit dem Walserbus vom Bahnhof Oberstdorf bis Riezlern-Post (Linie 1), weiter mit der Linie 5 zur Endstation Ifen. Rückfahrt vom Mahdtalhaus mit der Linie 2 nach Riezlern, weiter mit der Linie 1 nach Oberstdorf. 

Schwierigkeit
Mittelschwere Bergwanderung

Streckentour
10 km

Gehzeit
4:15 h

Höhenunterschied
520 hm 850 hm

Karte
KOMPASS Wanderkarte Nr. 3 oder Nr. 03

Literatur
KOMPASS Wanderführer 5674 Kleinwalsertal

Wegbeschreibung

Von der Mittelstation der Ifenbahn (1565 m) gehen wir zur nahen Ifenhütte (1586 m). Dort beginnt der beschilderte und anfangs geteerte, später stellenweise steinige Wanderweg, der unter der Olympiabahn (Sessellift) durchführt und sich parallel zum Skigebiet in die Ifenmulde am Fuße der langgezogenen Felsabbrüche des Hohen Ifens emporschlängelt. Der links abzweigende Pfad (1800 m) auf den Gipfel bleibt unbeachtet. Auf gut 200 m Seehöhe – knapp bevor links eine weitere Route auf den Ifen wegführt – könnte man rechts zur Bergstation der Gondelbahn ansteigen und zum Gottesacker-Plateau weiterwandern.

Viel lohnender ist es jedoch, geradeaus zum nahen Gipfelkreuz auf dem 2085 m hohen Hahnenköpfle anzusteigen. Herrlich ist der Rückblick zum Walmendingerhorn und zum Widderstein, während die Nagelfluhkette, der Bregenzerwald und sogar der Bodensee mit einem Schlag sichtbar werden. Zum Greifen nah erscheint im Südwesten der Hohe Ifen, an dessen Westabbrüchen eindrucksvolle Gesteinsverwerfungen zu sehen sind. 

Der wahre Star im Panorama ist jedoch das gewaltige, karge und seltsam gestufte Felsplateau des Gottesackers, das sanft gegen das Schwarzwassertal hin absinkt. Nach einem kurzen, aber felsigen Abstieg in nordöstler Richtung erreichen wir den Pfad, der – an einer Stelle mit zwei Eisenklammern versichert – von der Gondelbahn-Bergstation herüberführt. Diesem folgen wir nun nach links durch das Labyrinth der Spalten im Schrattenkalk und über zerklüftete Karrenplatten. Diese nur auf den ersten Blick öde, nur mit wenigen Grasinseln und Latschenflecken bewachsene Mondlandschaft birgt seltene Pflanzen. Da und dort sind kleine Gegenanstiege zu überwinden, doch insgesamt geht es knapp 1:00 h lang bergab bis zur Wegkreuzung bei der längst verfallenen Gottes­ackeralpe (1835 m).

Dort weist uns die Tafel „Klein-Walsertal“ rechts ins sogenannte Gottesackerloch, eine kleine Felsenkluft. Weiter unten geht’s durch Krummholzgassen. Bei der Schnei­derkü­renalpe, einer Jagd­hütte, taucht man in den Kürenwald ein. Der bis zum Schluss vom etwas beschwerlichen Schrattenkalk bedeckte Steig quert Richtung Küren einen Forstweg und führt zum Haus Sonnblick in Wäldele.
Durchs Schwarzwassertal wandert man auf der ruhigen Wäldelestraße nach Oberwäldele und mit einem kleinem Gegenanstieg auf einem Wanderweg am Bergheim Wäldele vorbei zur Auenhütte.