Wie das Land entstand

Ewige Berge? Im Gegenteil. Gebirge entstehen und vergehen.

Erdgeschichte im Zeitraffer

4556 Millionen Jahre lang besteht unser Planet nun. Fassbar wird dieser Zeitraum vielleicht, wenn wir die Erdgeschichte gedanklich im Mega-Zeitraffer ablaufen lassen – sagen wir: in 365 Tagen.

Gemäß dieser Annahme wäre die Erde um null Uhr des ersten Januars entstanden, während genau jetzt, in der Gegenwart, der folgende Jahreswechsel stattfindet. Zum Vergleich: Die wahren Zeiträume zeigt die geologische Zeitskala am Ende dieses Artikes.

Die ältesten Bausteine der Alpen

In den ersten zehn Monaten dieses fiktiven Jahres muss sich die glutflüssige Erde erst einmal konsolidieren. Eine feste Kruste bildet sich, Wasser entsteht, die ersten Bakterien produzieren Sauerstoff und damit die Grundlage für unsere Atmosphäre.

Die ältesten Bauteile unserer Bergwelt tauchen erst nach dem 18. November auf – das entspricht der erdgeschichtlichen Periode des Kambrium. Bald schon tummeln sich die ersten Geschöpfe mit kalkigen Skeletten und Gehäusen im Meer. Ihre sterblichen Überreste werden zu Kalk- und Dolomitgestein, das große Teile der Karnischen Alpen aufbaut – als Versteinerungen (Fossilien) ermöglichen sie uns heute ihre zeitliche Einordnung.  

Anfang Dezember – im Karbon – erblicken wir mit dem Variszischen Gebirge einen mächtigen Vorläufer der Alpen, und zwar in der Mitte des „Superkontinents“ Pangäa, zu dem inzwischen fast alle Landmassen verschmolzen sind. Ein paar Tage später, in der Permzeit, wird das Variszische Gebirge auch schon wieder abgetragen; sein Fundament wird jedoch die Grundlage der späteren Alpen bilden.

Am 11. Dezember beginnt die Periode der Trias, in der sich im Osten Pangäas langsam das flache Tethys-Meer öffnet. In seinen Randbereichen entwickeln sich ausgedehnte Korallenriffe. Aus den Unmengen abgestorbener Organismen, die in den Lagunen dahinter zu Boden sinken, wird in Jahrmillionen jenes Kalk- und Dolomitgestein, das heute unter anderem die Nördlichen Kalkalpen und die Dolomiten aufbaut. 

Crash der Kontinente

Ab dem 15. Dezember, in der Periode des Jura, beginnt der Siegeszug der Saurier. Pangäa zerbricht in zwei große Kontinentalplatten: Laurasia mit dem heutigen Eurasien und Gondwana, aus dem Afrika hervorgehen wird. Dazwischen öffnen sich mehrere Meeresbecken, zwischen denen abgesplitterte Mikrokontinente namens Iberia und Adria liegen. Damit existieren nun drei deutlich voneinander abgegrenzte Entstehungs- und Ablagerungsräume für weitere Alpen-Gesteine: 

das Helvetikum am Südrand der Eurasischen Platte, in den weiterhin viel Kalk abgelagert wird,

das Ost- und das Südalpin auf dem Mikrokontinent Adria 

und dazwischen das Penninikum mit seinen Meeresbecken, in denen auch ozeanische Kruste entsteht.

Was am 23. Dezember passiert, ist für die künftigen Alpen von großer Bedeutung. Nun bricht auch Gondwana auseinander; jener Teil, der Afrika werden wird, macht sich samt dem vorgelagerten Mikrokontinent Adria auf den Weg nach Norden. Dabei überfährt Letzterer die Meeresbecken, deren ozeanische Kruste bis zu 100 Kilometer darunter hinabgezogen wird. Dabei erfahren die Gesteine unter großem Druck und bei Temperaturen bis über 650 Grad Celsius eine Umkristallisation (Metamorphose). Außerdem werden sie wie Spielkarten oder Dachziegel übereinandergestapelt, zum Teil weit verschoben und auch verfaltet. Die so entstandenen Gesteinsdecken bilden heute die zentralen Bauelemente der Alpen.

Am 26. Dezember beginnt das Kanäozoikum (die Erdneuzeit) gleich mit einer Katastrophe: Die Saurier sterben gemeinsam mit etwa 50 Prozent aller anderen Tierarten aus, wahrscheinlich nach dem Einschlag eines Asteroiden. Dafür besiedeln in seiner ersten Periode, im Paläogen, nun die Säugetiere fast die gesamte Erde. Und nun prallt der Mikrokontinent Adria auf die Europäische Platte – unendlich langsam zwar, aber endgültig. Auch von Europa wird ein Stück subduziert, doch zwischen den beiden gleich schweren Platten entstehen so große Spannungen, dass die europäische Platte in der Tiefe abreißt.

Dies setzt eine Gegenbewegung in Gang: Die verkeilten Decken der Kollisionszone werden zu einem Hochgebirge emporgehoben.

Die Alpen, ein Deckengebirge

Heute zeigen sich die Alpen als ein typisches Deckengebirge. Seine Basis bilden die Grund- und Sedimentgesteine des Helvetikums, die vor allem den nördlichen Alpenraum der Schweiz („Helvetiens“) und das sogenannte Dauphionais im Westen der französischen Alpen prägen.

Von Süden und Südosten her überlagern sie die Gesteine des Penninikums. Diese bilden im Norden der Schweizer Alpen auch einige unterschiedlich große „Klippen“, die über das Helvetikum nach Norden verschoben, aber noch nicht ganz abgetragen wurden. 

• Die oberste Einheit bilden die Decken des Ostalpins jenseits der Linie Bodensee – Comer See.

• Von den davon überlagerten penninischen Decken liegt nur ein schmaler Streifen am bayerisch-österreichischen Alpennordrand frei; kleine Bereiche wurden auch durch die Erosion ostalpiner Gesteine im „Engadiner Fenster“ und im „Tauernfenster“ wieder sichtbar.

• Die südalpinen Decken liegen südlich der längsten Störungszone der Alpen, dem Periadriatischen Bruchsystem, das sich vom nördlichen Piemont über das Tessin und Südtirol bis ins 700 Kilometer entfernte Slowenien hinzieht. 

Zurück zu unserem zeitlichen Gedankenexperiment, denn am 31. Dezember um 19 Uhr beginnt die Eiszeit. Für den Auftritt unserer Vorfahren braucht man schon eine Stoppuhr, denn Homo sapiens erscheint erst 21 Sekunden vor Mitternacht. In der Folge gelingen der Menschheit kulturelle, technische und wissenschaftliche Meisterleistungen, aber leider auch Weltkriege, atomare Hochrüstung und eine selbst verschuldete Klimakrise, mit der gerade ein neues Massenaussterben von Pflanzen- und Tierarten einhergeht. 

Geologische Zeitskala (Stratigraphische Tabelle)

Ära / Periode | Beginn vor Millionen Jahren | wichtige Ereignisse

Kanäozoikum (Erdneuzeit)

Quartär | 2,6 | Eiszeiten, „letzter Schliff“ der Alpen, Homo sapiens erscheint
Neogen | 23 | Plattenabrisse in der Tiefe, Alpenhebung
Paläogen | 66 | Kollision Adria – Europa, in der Tiefe weitere Deckenbildung

Mesozoikum (Erdmittelalter)

Kreide | 145 | Gondwana zerbricht, Afrika und der davon abgespaltene Mikrokontinent Adria driften auf Europa zu, Subduktion, Deckenbildung in der Tiefe 
Jura | 201 | Pangäa zerbricht, zwischen Laurasia und Gondwana öffnen sich neue Meeresbecken
Trias | 252 | Tethys-Ozean bildet sich, große Riffe entstehen, ab nun bilden sich wieder große Mengen an Kalk- und Dolomitgestein

Paläozoikum (Erdaltertum)

Perm | 299 | Abtragung des Variszischen Gebirges
Karbon | 359 | Gondwana wird Teil des „Superkontinents“ Pangäa, das Variszische Gebirge entsteht 
Devon | 419      
Silur | 444
Ordovizium | 485 | Bildung der ältesten Kalk- und Dolomitgesteine der Alpen
Kambrium | 541 | Bildung der ältesten kristallinen Gesteine der Alpen auf dem Großkontinent Gondwana

Proterozoikum | 2500

Archaikum | 3800

Hadaikum | 4600 | Entstehung der Erde