Wege ins Mittelalter

Von der Natur- zur Kulturlandschaft

Migration und neue Machtstrukturen

Mit dem Ende des Römischen Reiches im Jahre 476 brachen für die Menschen in Europa unruhige Zeiten an. „Barbaren“ wie Quaden, Markomannen, Alamannen, Goten, Hunnen, Alanen, Awaren, Langobarden oder Slawen sorgten für eine unablässige Folge von blutigen Siegen und Niederlagen, von Seuchen und Hungerzeiten, Flucht und Migration. Erst die Burgunder, die Franken und die Baiern sorgten im beginnenden Mittelalter für neue Machtverhältnisse. 

Daneben war das Christentum von einer oppositionellen und blutig verfolgten zu einer akzeptierten Glaubensrichtung geworden (Toleranzedikt Konstantin des Großen im Jahre 313), die schließlich zur spätrömischen Staatsreligion aufstieg (391 durch Kaiser Theodosius). Es hatte sich im sechsten und siebten Jahrhundert auch im Norden der Alpen ausgebreitet und zu einer Welle von Klostergründungen geführt; schließlich waren die Bischöfe auch in die weltliche Verwaltung eingebunden. 

Im klimatisch begünstigten Hochmittelalter blühte nicht nur das Rittertum auf. Die Bevölkerung der Dörfer, Märkte und Städte nahm rasant zu. Große Waldbereiche wurden gerodet, neue Bauernhöfe selbst in Lagen über 1700 Meter Seehöhe gegründet, Weidegebiete bis weit über die Baumgrenze der Alpen hinauf ausgedehnt. Damals entwickelte sich endgültig jene Kulturlandschaft, die das oft (aber ohne jede Grundlage) romantisch verbrämte Bild unserer Heimat bis heute prägt. Das über 2000 Meter hoch gelegene Saint-Véran in den Westalpen, das Zentrum der höchstgelegenen Gemeinde Europas, lässt erahnen, mit welchen Mühen die Bewirtschaftung so exponierter Gebiete verbunden war und immer noch ist. 

Salve! Griaß di! In scha´Allah!

Bonjour! Ciao! Grüezi wohl! Dober dan! Servus! Grüß Gott! Hoi zäma! Bon jorn! Allegra! Bun di! Mandi! Zdravo! Im Mittelalter begann auch die linguistische Farbenpracht am Berg. Aus dem Vulgärlatein der Römer, das Begriffe der von ihnen okkupierten Alpenbewohner absorbiert hatte, entwickelten sich das Frankoprovenzialische, Okzitanische, Lombardische, Rätoromanische, Ladinische oder das Furlan; dazu kam der Wortschatz von Einwanderern aus dem Norden, dem Osten und sogar aus Nordafrika. 

Und mit jeder neuen Sprache kamen neue Geschichten ins Gebirge – so etwa Geschichten über die Sarazenen in den französischen Alpen und im Wallis, das ladinische Epos um die Fanesalm in den Dolomiten, die Rosengarten-Sage der Baiern oder die Märchen der Alpenslawen.