Seltsame Kultstätten

Merkwürdige Monumente und sagengafte Orte werfen Fragen auf 

Gottesfurcht und Heidenspaß

Die meisten Forscher:innen gehen heute davon aus, dass die steinzeitlichen Wildbeuter ein animistisches Weltbild hatten. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort anima (= Seele, Geist) her und umschreibt die Überzeugung, jeder Ort, jedes Lebewesen und jedes Naturphänomen habe Empfindungen, ein Bewusstsein und die Fähigkeit zur Kommunikation. Demnach würden nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Steine und Felsen, Quellen und Bäche, Pflanzen und Bäume sowie zahlreiche körperlose Wesen wie etwa die Geister von Verstorbenen oder Dämonen ohne feste Grenzen und ohne trennende Hierarchien miteinander in Verbindung stehen. 

Animismus ist keine einheitliche Religion, die an eine überirdische Ordnung oder Macht glaubt, sondern bedingt eine bunte Vielfalt unterschiedlichster Riten, Bräuche und Kulte, in deren Rahmen die Menschen zu ihrer beseelten Umgebung sprechen. Wie genau, davon haben wir kaum Kenntnis – aber vielleicht geht mancher „Aberglaube“, der sich bis heute um bestimmte Orte und „seltsame Steine“ rankt, auf so archaische Vorstellungen zurück. 

Mit der neolothischen Revolution etablierten sich auch göttliche Wesen in der Glaubenswelt der Menschen. Die nunmehrigen Bauern wandten sich, gequält von zuvor unbekannten Sorgen um die Erhaltung ihres Besitzes und vor zukünftigen Unwägbarkeiten, bald an Fruchtbarkeits-, Regen- oder Kriegsgötter. So entstanden wohl die ersten polytheistischen Religionen, in denen man den höheren Mächten Tiere und manchmal sogar Menschen, Lebensmittel oder Wertgegenstände opferte, um von ihnen im Gegenzug reiche Ernte und wachsende Viehherden, viele Nachkommen (= Arbeitskräfte) und Sieg gegen räuberische Feinde zu erbitten.

Dafür kristallisierten sich bald eigene Plätze heraus, vielleicht mit dem einen oder anderen Steinhaufen, die schon der Ethnologe Richard Andree (1835–1912) als „die älteste und ursprünglichste Form aller Monumente“ sah. Der Brauch des Steineaufschichtens ist noch heute weltweit verbreitet, in Tibet genauso wie in den Anden, am Ufer der Isar und auf den Gipfeln der Alpen. Und es entwickelten sich wohl Rituale, mit denen man mit Göttern in Kontakt trat – sie waren so unterschiedlich wie die Steingebilde, an denen sie sich manifestierten.

Animistische Vorstellungen lebten in polytheistischen Religionen noch lange weiter. Genauso wenig verschwanden die antiken Götter mit dem Siegeszug des monotheistischen Christentums, das im Jahre 380 zur Staatsreligion des Römischen Reiches und in der Folge zur dominierenden Glaubensrichtung im Alpenraum aufstieg. Auch wenn damals viele alte Kultstätten zerstört wurden, verehrte das Volk weiterhin „heidnische“ Orte. 

„Christianisierte“ Kultplätze

Animistische Vorstellungen lebten in polytheistischen Religionen noch lange weiter. Genauso wenig verschwanden die antiken Götter mit dem Siegeszug des monotheistischen Christentums, das im Jahre 380 zur Staatsreligion des Römischen Reiches und in der Folge zur dominierenden Glaubensrichtung im Alpenraum aufstieg. Auch wenn damals viele alte Kultstätten zerstört wurden, verehrte das Volk weiterhin „heidnische“ Orte. Der Beschluss beim Konzil von Arles im Jahre 452, unter den Gläubigen mit dem Götzenkult aufzuräumen, blieb ohne großen Erfolg. 145 Jahre später erkannte Papst Gregor I., dass es wohl besser wäre, Orte heidnischer Verehrung behutsam in katholische Andachtsstätten umzuwandeln. 

Manche davon hat man dann durch den Bau von Kirchen und Kapellen oder zumindest durch das Aufstellen oder Eingravieren eines Kreuzes „christianisiert“. Mit frommen Legenden deutete man Schalen als Fußabdrücke von Heiligen oder als Becken, in denen Maria auf der Flucht nach Ägypten das Jesuskind (oder seine Windeln) gewaschen habe. Quellen, denen Wunderkraft zugesprochen wurde, wurden zu „Gnadenbrunnen“ und so manchen ehrwürdigen Baum fügte man kurzerhand in den Altaraufbau ein. Wo all dies nicht möglich war, schürte man durch „Verteufelung“ das Unbehagen vor bestimmten Orten. 

Einige der besonderen Plätze, die die Kirche unberührt gelassen hat, erfordern heute ein wenig Spürsinn beim Suchen …