Hohle Erinnerungen an die Eiszeit
Vom Schmelzwasser ausgeschmirgelt
Gletschertöpfe findet man an ganz unterschiedlichen Plätzen – etwa auf der Tête de Crêtes oberhalb von Vernayaz nordwestlich von Martigny im Unterwallis, oberhalb von Zermatt, im berühmten Gletschergarten von Luzern, in der Nähe des oberitalienischen Alpenstädtchens Chiavenna, in Maloja zwischen dem Oberengadin und dem Val Bregaglia, auf Cavaglia im Süden des Berninapasses, in Nago und bei Vezzano nördlich des Gardasees, bei Scheffau im Westallgäu, im Kaunertal im Tiroler Oberland, in Igls bei Innsbruck, im Stubachtal im Salzburger Anteil der Hohen Tauern, bei Weißbach an der deutschen Alpenstraße, bei Tamsweg im Lungau, im Echerntal im oberösterreichischen Hallstatt oder in Pörtschach am Wörthersee in Kärnten.
Die aus dem Gestein geschmirgelten, bis zu mehreren Metern tiefen Hohlformen entstanden durch das Schmelzwasser eiszeitlicher Gletscher, die den Bereich dieser Naturwunder einst überdeckt haben. Es stürzte einst in Spalten, die vor allem über Kuppen und an Geländekanten entstanden waren, oder es fräste tiefe Löcher in die kalte Masse. Am Felsuntergrund geriet das kühle Nass unter großen Druck und bildete zwischen Unebenheitengewaltige Wirbel. Und es begann, mit Hilfe von mitgeschwemmtem Gesteinsmehl und Geröll seine „Sandstrahlarbeit“.
Je größer die Strudellöcher wurden, umso rascher dürfte das Zerstörungswerk vor sich gegangen sein: So mancher Gletschertopf könnte in nur einem Sommer entstanden sein. Einige dieser Hohlräume liegen in Reihen dicht nebeneinander, einzelne sind sogar durch Löcher miteinander verbunden – dies könnte darauf hindeuten, dass Gletscherwasserfälle in breite Querspalten gestürzt sind. Die abgerundeten Steine, die man in vielen Vertiefungen gefunden hat, dürften jedoch nicht viel zu ihrer Ausgestaltung beigetragen haben. Sie wären bei der hohen Wassergeschwindigkeit wohl zerbrochen und sind wahrscheinlich erst später hineingefallen (daher spricht man mittlerweile auch nicht mehr von „Gletschermühlen“).
Die meisten Gletschertöpfe, die heute als attraktive Ausflugs- und Wanderziele gelten, mussten von engagierten Menschen mühevoll freigeschaufelt werden, da sie sich nach der Eisschmelze rasch mit Schlamm, Sand und Schutt gefüllt haben. Manchmal war es gar nicht so einfach, sie überhaupt zu finden. Oft verrieten nur Moorpflanzen wie Scheuchzers Wollgras ihr abflussloses Dasein – und da und dort deuten sie auf weitere verborgene Steinkunstwerke aus der Eiszeit.